Nachwuchs im Festungsgraben Dömitz

Fast 1.000 junge Rotbauchunken nehmen ihr neues Zuhause im Dömitzer Festungsgraben ein. Das Besondere: Die Eier der Tiere stammen aus nur 1,5 Kilometern Entfernung, aus dem niedersächsischen Teilgebiet der Flusslandschaft Elbe.

Ein besonderer Moment: Daniela Bauer, Projektverantwortliche, und Mathias Hippke, Sachgebiet Artenschutz und Forschung im Biosphärenreservatsamt, entlassen einen Teil der jungen Rotbauchunken in die Freiheit. © D. Foitlänger
Ein besonderer Moment: Daniela Bauer, Projektverantwortliche, und Mathias Hippke, Sachgebiet Artenschutz und Forschung im Biosphärenreservatsamt, entlassen einen Teil der jungen Rotbauchunken in die Freiheit.

Sie steht europaweit unter strengem Schutz, die Rotbauchunke. Somit besteht die Verpflichtung, Maßnahmen zum Erhalt dieser besonderen Amphibienart zu ergreifen.

Im Westteil des Dömitzer Festungsgrabens wurden deshalb in den vergangenen Jahren behutsam Pflegemaßnahmen durchgeführt, um Gebüsche zu beseitigen und den Graben zu entschlammen. Lebensräume für die Rotbauchunke im Festungsgraben Dömitz gesichert


Rotbauchunken benötigen zur Fortpflanzung flache, sonnige Laichgewässer, begründet Daniela Bauer, Projektverantwortliche des Biosphärenreservatsamtes, die Schritte. „Ergänzend zu den baulichen Maßnahmen, haben wir ein Aufzuchtprogramm gestartet, um die natürlichen Verluste bei der Entwicklung der Rotbauchunken zu minimieren. Hierzu wurde aus geeigneten Lebensräumen Laich entnommen, einige Wochen in einer Aufzuchtstation gehältert und die Jungunken wieder ausgesetzt“, berichtet sie weiter.


Im Jahr 2022 konnte im Dömitzer Festungsgraben kein Laich gefunden werden und es ist davon auszugehen, dass hier nur sehr wenige Tiere leben. Florian Bibelriether, der von der Firma Amphi Consult das Projekt fachlich begleitet, empfahl, Kontakt mit der gegenüberliegenden Elbe-Seite, der Biosphärenreservatsverwaltung Niedersächsische Elbtalaue, aufzunehmen, um Laich zu entnehmen und die jungen Unken in den Festungsgraben zu bringen. „Auf diese Weise erfolgt künstlich eine Verbreitung der Unke über die Elbe“, führt Bibelriether aus.
 

Die Aufzucht der Unken hat den Vorteil, dass die Verlustraten des sensiblen Laichs sowie der Kaulquappen gegenüber der freien Natur erheblich reduziert werden“, berichtet Bibelriether weiter. „Bei der Aufzucht ist im schlechtesten Fall mit Verlustraten von 10 bis 20 % zu rechnen, in der freien Natur von 80 bis 100 %.

In den beiden Projektjahren 2023 und 2024 wird ein besonderes Augenmerk auf Dömitz und Umgebung gelegt, um die Wiederbesiedlung für Amphibien zu unterstützen. So sollen auch bestehende Kleingewässer saniert und neue angelegt werden.

Dirk Janzen, Leiter der Biosphärenreservatsverwaltung Niedersächsische Elbtalaue, sieht die länderübergreifende Zusammenarbeit sehr positiv: „Naturschutz kennt keine Grenzen, und es ist von Nutzen für beide Seiten der Elbe, wenn sich der Gesamtbestand der Rotbauchunken wieder erholt und weiter zunimmt.“

Es ist zu hoffen, dass sich in den kommenden Jahren die Rotbauchunken bis zur Geschlechtsreife entwickeln und der typische Ruf „Uhhh Uhhh Uhhh“ weithin über die Festung Dömitz zu hören ist und die Tiere wieder eine stabile Population bilden können.

Das Projekt wird aus Mitteln der Europäischen Union finanziert.

 


Hintergrund:

Die europaweit durch die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie geschützte Rotbauchunke (Bombina bombina) steht im Fokus eines mehrjährigen Naturschutzprojektes des Biosphärenreservatsamtes Schaalsee-Elbe. An sechs Standorten zwischen Dechow im UNESCO-Biosphärenreservat Schaalsee und Dömitz im UNESCO-Biosphärenreservat Flusslandschaft Elbe M-V wurden neue Lebensräume für die Rotbauchunke geschaffen. In den Jahren 2020 bis 2023 werden in den sechs Projektgebieten insgesamt rund 30 neue Kleingewässer für die Rotbauchunken verbessert oder neu angelegt. Da die Tiere in der Regel Distanzen von max. 500 m zurücklegen, müssen die Lebensräume der Rotbauchunke möglichst engmaschig miteinander verbunden sein. Die im Rahmen des Projektes geschaffenen Kleingewässer sollen, wie Trittsteine wirken und isolierte Populationen miteinander verbinden. Zusätzlich wird die Aufzucht der Rotbauchunken unterstützt, um den hohen natürlichen Verlust zu minimieren.

Drei Jahre in Folge (2022 bis 2024) wird aus geeigneten, jeweils räumlich nahegelegenen Spenderpopulationen Laich entnommen und gehältert, um die gezüchteten jungen Unken in die neuen Habitate auszusetzen.

1) Gewinnung von Eiern

Von den Spenderpopulationen werden jährlich ca. 500 bis 1.000 Eier verschiedener Elterntiere gewonnen (Ein Weibchen produziert pro Saison ca. 150 bis 300 Eier). Die Eier können - falls die Population noch groß genug ist - direkt in den Laichgewässern gesammelt werden. Falls nur noch wenige Tiere vorhanden sind, können Laichkäfige zum Einsatz kommen. Darin werden mehrere männliche und weibliche Tiere vorübergehend, bis zum Ablaichen gehalten.
 

2) Aufzucht der Eier in einer Aufzuchtstation

Der Laich wird in einer Aufzuchtstation während des Larvenstadiums und bis zum Erreichen der Metamorphose gehalten. Dabei muss mit Verlustraten von ca. 5 bis 10 %, in schlechten Fällen bis zu 20 % gerechnet werden (im Vergleich: Verlustrate in freier Natur bis zur Metamorphose ca. 80 bis 100 %).

Rotbauchunken sind als Kaulquappen auf offene Wasserflächen angewiesen.

Nach der Metamorphose zu Jungunken sind jugendliche Rotbauchunken nicht (mehr) davon abhängig. Sie werden im Festungsgraben unter der Vegetation genug Schatten, Schutz und Nahrung finden und sich im Spätherbst an Land in ein frostfreies Winterquartier zurückziehen.


Rotbauchunken sind als Kaulquappen auf offene Wasserflächen angewiesen.

Nach der Metamorphose zu Jungunken sind jugendliche Rotbauchunken nicht (mehr) davon abhängig. Sie werden im Festungsgraben unter der Vegetation genug Schatten, Schutz und Nahrung finden und sich im Spätherbst an Land in ein frostfreies Winterquartier zurückziehen.

Gehälterte junge Rotbauchunken, kurz vor dem Auswildern in den Dömitzer Festungsgraben. © D. Foitlänger
Gehälterte jungen Rotbauchunken, kurz vor dem Auswildern in den Dömitzer Festungsgraben.
Gehälterte jungen Rotbauchunken, kurz vor dem Auswildern in den Dömitzer Festungsgraben.
Florian Bibelriether zeigt fachmännisch eine der gehälterten Jungunken. © D. Foitlänger
Florian Bibelriether zeigt fachmännisch eine der gehälterten Jungunken.
Florian Bibelriether zeigt fachmännisch eine der gehälterten Jungunken.
Schaut man sich eine Rotbauchunke von unten an, sieht man sofort den orange-rot marmorierten Bauch (hier noch nicht ganz ausgebildet), der namensgebend ist. Er soll abschreckend wirken und die Unke vor Fressfeinden schützen. © D. Foitlänger
Schaut man sich eine Rotbauchunke von unten an, sieht man sofort den orange-rot marmorierten Bauch (hier noch nicht ganz ...
Schaut man sich eine Rotbauchunke von unten an, sieht man sofort den orange-rot marmorierten Bauch (hier noch nicht ganz ausgebildet), der namensgebend ist. Er soll abschreckend wirken und die Unke vor Fressfeinden schützen.
Florian Bibelriether von der Firma Amphi Consult setzt die ersten jungen Rotbauchunken in den Festungsgraben aus. © D. Foitlänger
Florian Bibelriether von der Firma Amphi Consult setzt die ersten jungen Rotbauchunken in den Festungsgraben aus.
Florian Bibelriether von der Firma Amphi Consult setzt die ersten jungen Rotbauchunken in den Festungsgraben aus.
„Nebenbei entdeckt“ - zwei weitere besonders geschützte Amphibienarten: Eine Larve der Knoblauchkröte, die Größte der einheimischen Amphibienlarven, und eine Larve des Kammmolches. © D. Foitlänger
„Nebenbei entdeckt“ - zwei weitere besonders geschützte Amphibienarten: Eine Larve der Knoblauchkröte, die Größte der ...
„Nebenbei entdeckt“ - zwei weitere besonders geschützte Amphibienarten: Eine Larve der Knoblauchkröte, die Größte der einheimischen Amphibienlarven, und eine Larve des Kammmolches.